Der zweite Teil des Storytelling Camps am 6. Dezember 2019 befasste sich mit dem Thema fiktionales Storytelling. Hierzu fanden ebenfalls drei spannende Vorträge statt. Direkt nach der Mittagspause berichtete die Schriftstellerin Adriana Popescu über das Schreiben von Romanen. Sie veröffentlicht Werke in den Genres Jugendbücher und Erwachsenenromane.
Romane schreiben kann jeder, wäre da nur nicht diese Arbeit
Was genau die Arbeit beinhaltet erklärte sie am Beispiel der Figuren einer Geschichte. Es sei nicht so leicht einen passenden Namen für einen Romancharakter zu finden, denn dieser müsse perfekt zur Figur passen, so Popescu. Hierfür müsse man seine Figur ganz genau kennen: Wer ist sie? Was bewegt sie? Wohin will sie gehen? Nur wer seine Figuren richtig gut ausgearbeitet hat, kann eine gute Geschichte über sie schreiben. Diesen Ansatz nennt man „character-driven story“, da der Leser eher der Personen in der Geschichte folgt. Dem gegenüber steht die „plot-driven story“, wobei die Handlung im Mittelpunkt steht. Ein Beispiel dafür wäre Die Tribute von Panem von Suzanne Collins.
Zum Thema Spannung und Handlung verweist Popescu auf Konflikte. Es gibt äußere und innere Konflikte, sowie Haupt- und Nebenkonflikte. Der Hauptkonflikt sollte erst am Ende der Geschichte gelöst werden, in den einzelnen Kapiteln sollte die Hauptfigur aber immer wieder kleineren Konflikten begegnen, die sie nach und nach lösen kann. So baut sich mehr Spannung auf und die Geschichte bleibt interessant.
Entlang von Stereotypen – die Kunst vielfältig zu erzählen
Spannend war auch der Vortrag von Johanna Faltinat und Leticia Milano vom „Büro für vielfältiges Erzählen“. Zu Beginn des Vortrags wurde eine Geschichte vorgelesen, das Publikum schloss die Augen und stellte sich die Personen aus der Geschichte vor. Im Anschluss daran wurde gefragt, wie die vorgestellten Personen denn aussahen. Durch diesen Versuch wurde eindrücklich aufgezeigt wie wenig divers wir teilweise unsere Geschichten bauen, und auf welche Gruppen wir mehr achten sollten.
Laut der Expertinnen würden Menschen mit Behinderung, Frauen in bestimmten Kontexten, LGBTQ-Leute, farbige Menschen, nicht-traditionelle Familien, alte Leute oder Kinder oft nicht in Geschichten repräsentiert werden. Jedoch sprechen wir hier keineswegs von kleinen Minderheiten – denn allein jede vierte Person in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Weshalb die Erzählungen nicht so vielfältig sind, liegt daran, dass wir in der Regel bevorzugt unter Gleichen leben und Medien wählen, die zu uns passen.
Stereotypen gibt es auf verschiedenen Ebenen, auch für die gesamte deutsche Bevölkerung. Gibt man „Cartoon German Man“ in die Google-Bildersuche ein, erscheint eine Flut an bayrischen, lederhosentragenden und biertrinkenden Figuren – ein klassischer Stereotyp also. Doch was als „normal“ angesehen wird, ist nicht frei wählbar, sondern wird von einer Gruppe definiert, die die Macht dazu hat, dies in der Gesellschaft zu etablieren. Storytelling formt die Gesellschaft und andersrum, deshalb ist es wichtig, Stereotypen aufzubrechen, für mehr Vielfalt zu sorgen und so gegen Diskriminierung zu arbeiten. Für die konkrete Umsetzung wünschen sich Frau Faltinat und Frau Milano Quoten und Standards der Repräsentation.
Bad Banks & Co – Fiktionales Erzählen im ZDF
Den letzten Vortrag des Tages hielt Alexandra Staib, Fernsehredakteurin beim ZDF. Die Referentin war in ihrer Kindheit bereits Schauspielerin, studierte an der HdM Medienwirtschaft und danach Filmproduktion an der Hamburg Media School, von der sie bereits mit Preisen ausgezeichnet wurde.
Anders als bei der großen Konkurrenz der Streamingdienste, muss beim öffentlich-rechtlichen TV-Sender 24 Stunden am Tag Programm geplant werden. Um auf dem Markt konkurrenzfähig bleiben zu können, werden sowohl die Strukturen beim ZDF allmählich aufgebrochen als auch der Redakteursberuf verändert. Die Referentin bekommt viele Filmformate eingereicht und entscheidet, ob und wo sie beim ZDF reinpassen würden. Sie begleitet den gesamten Prozess der Entwicklung. Die Drehbücher werden mit den Drehbuchautoren zusammen weiterentwickelt, hier dient der Redakteur als Sparring-Partner. Bei Budgetverhandlungen und dem Figurencasting ist Frau Staib ebenfalls involviert. Sie bespricht auch Produktionsmuster, Schnitt und Musik mit dem Team. Der letzte Schritt für den Redakteur ist die Distributionsstrategie und die Vermarktung des Films oder der Serie. Die Mediathek beispielsweise stellt Filme und Serien on demand sowie zum Binge Watching zur Verfügung. Eine bekannte Produktion des ZDFs, an der Frau Staib beteiligt war, ist die Serie Bad Banks. Sie erhielt online und auf Filmfestivals viel Ruhm.
Insgesamt war das 4. Storytelling Camp eine lehrreiche und gelungene Veranstaltung mit interessanten Vorträgen und vielen guten Fragen. Ich freue mich bereits auf das nächste Storytelling Camp am 04.12.2020.
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